Kolumne: Die alten Griechen und die Grenzwerte

 

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Terminus, der Gott der Grenze, war den alten Griechen heilig. Aus sehr gutem Grund: Er schützt das Eigentumsrecht des Individuums vor Gewalt und Willkür.

 

Wenn der Ruhig Fury! den Kopf aus seiner Box streckt, dann kommt ihm das Gras auf der Wiese jenseits der Koppel immer grüner vor als das Heu vor seiner Nase. Dem Braunen in der Box nebenan geht es anders: Der hat immer Angst, dass einer reinkommt und ihm sein Heu wegfrisst. Das mit den Grenzen hat halt zwei Seiten.

 

Seit „Dieselgate“ wird ja viel über „Grenzwerte“ geredet. Die alten Griechen haben die Grenzwerte noch der Natur abgeschaut: Die ist gut geordnet, und maßlose Menschen, die sich nicht an die Ordnung hielten, wurden von den Griechen verachtet. Für sie gab es gegen die natürliche Ordnung keinen Fortschritt. Ihre Tragödien besangen Frevel und Sühne.

 

Zum Beispiel Pferdeäpfel: Dass der Ruhig Fury! äpfelt, ist normal. Wenn es aber tausende Pferde in einer Stadt tun … Die Times in London prognoszierte 1894, dass bis 1950 die Straßen mit einer drei Meter hohen Mistschicht bedeckt sein würden. Jeder sah ein, dass es so nicht weiterging. Und man erfand das Auto.

 

Obwohl die Autos aus der Fabrik kommen, stehen sie nicht über der Natur. Die Abgase der Automobile sind zwar unsichtbar, aber messbar. Und der Mensch, ja dieses unangepasste Natur-Residuum, verträgt nicht so viel davon. Jeder sieht ein, dass es so nicht geht. Und man erfindet den Abgas-Grenzwert.

 

Wir haben uns ja angewöhnt, Zahlen mehr zu glauben als unseren Augen, Ohren und unserer Nase. Ja, ein vernünftig begründeter Grenzwert kann ausdrücken, was dem Menschen zukommt und was nicht. Die Abgase, die der eine Mensch produziert, werden vom anderen konsumiert. Die Fläche, welche die B15 neu verbraucht, fehlt den Landwirten. Wegen der gerechten Balance kommt der Gesetzgeber ins Spiel. Oder frei nach Immanuel Kant: Der sittlich gute gewollte Grenzwert beschreibt zugleich, was eine gute Maschine leisten soll. Jeder sieht das ein. Und so wird der Grenzwert zur gesetzlichen Norm.

 

Darum sind die mit „Dieselgate“ ans Licht gekommenen Abgasmanipulationen ein Politikum und nicht nur kriminelle Betrugsfälle: Sie sind es, weil heute nicht wenige glauben, Ökonomie sei eine Wissenschaft und der Zielkonflikt zwischen Wettbewerb und Gesundheit tragisch. Aber so ist es nicht. Nicht deshalb, weil Ökonomie eigentlich eine Disziplin der Ethik ist, sondern weil das ordnende Gesetz für alle gilt und daher niemanden benachteiligt.

 

So haben die Protagonisten in den Vorstandsetagen, im Ministerium und in den Exekutiven nicht den Rang von Tragöden, auch wenn sie behaupten, sie hätten das Wohl aller im Sinn: Arbeitsplätze, Wachstum, DAX-Index. Nein, sie haben nur sich selbst im Sinn und korrumpieren so unser Wertesystem und damit die Akzeptanz der Demokratie! Allein tragisch ist es für die statistisch tausende Opfer der Abgasmanipulation. Denn sie bleiben namenlos und damit so unsichtbar wie die Stickoxide.

 

Für die alten Griechen waren Grenzüberschreitungen ihrer Natur nach Gewaltproben gegen die geltende Ordnung. Das gilt auch heute noch. Der Vorgang nennt sich Fortschritt. Doch zum Schicksal wird Fortschritt nur, wenn wir uns nicht mehr empören!

 

Gerüchteweise soll ja für das Bundesverkehrsministerium die Stelle eines „Terminator“ ausgeschrieben sein.

 

Liebe Leser, das war’s. Mit dieser Kolumne verabschiedet sich
Euer Ruhig Fury!

7. 9. 2017

 

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