Toni Hofreiter ist Diplom-Biologe und Vorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen.
Er schreibt uns:
Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Interessierte,anlässlich zur Aufstellung eines neuen Bundesverkehrswegeplans (BVWP) durch das Bundesverkehrsministerium hat die bayerische Staatsregierungen Anmeldungen für aus ihrer Sicht erforderliche Verkehrsprojekte abgegeben. Das wirft viele Fragen auch. Viele von Euch haben sich dazu an unser Büro gewendet. Nachstehend einige Hintergrundinfos.
BVWP 2015: kurz das Wichtigste zum Ablauf
Zurzeit wird unter dem Stichwort „BVWP 2015“ der neue Bundesverkehrswegeplan erarbeitet. Er soll bis 2015 fertig sein und von 2016-2030 gelten.
Bayern hat am 12.03.2013 seine Wunschlisten für Straße, Schiene und Wasserstraße im Kabinett verabschiedet und ins Internet gestellt (Weblinks siehe unten). Diese Wunschlisten werden an das Bundesverkehrsministerium übermittelt.
Das Bundesverkehrsministerium erarbeitet für den neuen BVWP ein Konzept zur Öffentlichkeitsbeteiligung (fertig Juni 2012), die verkehrspolitische Grundkonzeption (Entwurf veröffentlicht Februar 2013) sowie die Verkehrsprognose 2030 (Rahmenbedingungen veröffentlicht Januar 2013) und eine neue Methodik zur Bewertung der einzelnen Projekte (mehrere Studien: teils abgeschlossen, teils laufend).(Siehe Weblinks)
In den nächsten zwei Jahren, von 2013 bis 2015, führt das Bundesverkehrsministerium eine umfangreiche Bewertung aller Wunschlisten der Bundesländer durch.
Mitte 2015 soll der Entwurf des BVWP fertig sein und die Öffentlichkeitsbeteiligung zum BVWP-Entwurf durchgeführt werden.
Ende 2015 soll der neue Bundesverkehrswegeplan vom Bundeskabinett beschlossen werden. Bis zur Verabschiedung im Kabinett ist die Aufstellung des neuen BVWP eine Verwaltungsangelegenheit im Ministerium.
Der Bundestag (bzw. der Verkehrsausschuss) wird zwar mit Zwischenberichten informiert, aber frühestens 2016 wird sich der Verkehrsausschuss des Bundestages mit einzelnen Projekten befassen, um aus dem Bundesverkehrswegeplan die letztlich entscheidenden Gesetze zu machen. Erst mit der Verabschiedung der Ausbaugesetze für die einzelnen Verkehrsträger wird rechtlich festgelegt, in welche Bedarfsstufe ein Projekt eingeordnet wird.
So ist der jetzige Stand des Verfahrens. Wir wissen, dass vor Ort die Lokalzeitungen mit Äußerungen von Bürgermeistern und Wahlkreisabgeordneten zu einzelnen Projekten voll sind. Doch es handelt sich um Vermutungen, Spekulationen und Wunschvorstellungen. Gegenwärtig ist für die Einzelprojekte ungewiss, was die Bewertung des Bundesverkehrsministeriums ergibt, wie ein Projekt eingestuft wird und welcher Zeithorizont möglicherweise bis zum Baubeginn daraus folgt.
Konkrete Aussagen, wo einzelne Projekte im BVWP 2015 landen, können auch wir nicht machen. Was man sagen kann ist, dass zuerst die laufenden Projekte fertiggebaut werden und danach Projekte begonnen werden, die heute schon planfestgestellt sind. Diese Projekte kann man jetzt schon im aktuellen „Investitionsrahmenplan 2011-2015“ nachschlagen, und an ihnen wird sicherlich bis weit über 2020 hinaus gebaut: http://www.bmvbs.de/cae/servlet/contentblob/80922/publicationFile/53988/investitionsrahmenplan-2011-2015-irp.pdf
Im Umkehrschluss kann man sagen, dass die Projekte, die nicht unter Kategorie B oder C im aktuellen Investitionsrahmenplan sind, kaum vor 2025 begonnen werden können.
Unsere Einschätzung zu den bayerischen Anmeldungen und zur Aufstellung des BVWP 2015
Bayern:
Mit ihren Straßenanmeldungen hat die bayerische Staatsregierung 1.000 Kilometer Neubau von Autobahnen und Bundesstraßen und 1.000 Kilometer Ausbau und Erweiterung in Bayern vor. Das ist eine unökologische Beton- und eine unehrliche Wünsch-Dir-Was-Politik, voller haltloser Versprechungen und ohne Betrachtung der Finanzierbarkeit.
220 Ortsumgehungen auf Bundesstraßen will die Staatsregierung in Bayern bauen, die meisten davon sind schon im alten BVWP enthalten und konnten nicht gebaut werden. Es gibt überhaupt keinen Spielraum für neue Vorhaben, trotzdem meldet die Staatsregierung viele neue Ortsumgehungen nach Berlin, um sich mit keinem Lokalmatador auseinandersetzen zu müssen.
Vielerorts verspricht man sich etwas davon, wenn eine Ortsumgehung in den „Vordringlichen Bedarf“ (VB) kommt. Doch der Vordringliche Bedarf ist total überfüllt: aus dem alten Bundesverkehrswegeplan sind bundesweit 500 von 850 „vordringlichen“ Ortsumgehungen noch nicht gebaut und werden voraussichtlich in den neuen BVWP übernommen. Deshalb führt Ramsauer im BVWP 2015 eine neue Kategorie ein: den „Vordringlichen Bedarf plus“ (VB+), in den die wirklich wichtigen Projekte aufgenommen werden sollen.
Bei den Schienenprojekten hat Bayern u. a. einige dringend notwendige Nahverkehrsprojekte dem Bund in die Schuhe geschoben. Doch der Schienenausbauplan ist dermaßen unterfinanziert und hinkt seiner Erfüllung so weit hinterher, dass mit der Anmeldung zum BVWP 2015 noch nicht viel gewonnen ist. Wir brauchen auch eine grundsätzlich andere Bahnpolitik, so wie die Grünen sie wollen.
Bundesverkehrsministerium:
Die Grundkonzeption des Bundesverkehrsministeriums zum BVWP 2015 setzt nach dem jetzigen Entwurfsstand keine verkehrspolitischen Ziele und schon gar keine klimapolitischen! So wird aus dem BVWP wieder nur eine unerfüllbare Auflistung von Wunschprojekten. Der grüne Ansatz wäre, die Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasser vernetzt zu betrachten, Ziele zur Verkehrsverlagerung, CO2- und Lärmminderung aufzustellen und aus dem BVWP einen integrierten Bundesmobilitätsplan zu machen.
Die Verkehrsprognose 2030, die dem BVWP 2015 zugrunde gelegt wird, geht von fragwürdigen Szenarien und falschen Voraussetzungen aus. So rechnet die Verkehrsprognose im Jahre 2030 mit einem Rohölpreis von 120 Dollar pro Barrel (real, in heutigen Preisen – nominal, also mit Inflation, 180 Dollar pro Barrel), mit konstanten LKW-Transportkosten und mit stark sinkenden Benzinverbräuchen bei PKW.
Was die Finanzierung angeht, so gibt es einen krassen Widerspruch: Die Verkehrsprognose 2030 rechnet mit relativ billiger Mobilität und deshalb mit Verkehrswachstum, während in der BVWP-Grundkonzeption angesichts der Haushaltslage und der Schuldenbremse ein erheblicher Beitrag zum Verkehrshaushalt aus der „Nutzerfinanzierung“ (sprich Pkw-Maut und höhere bzw. ausgeweitete Lkw-Maut) kommen soll, was jedoch die Verkehrsnachfrage bremsen würde.