Gemeinwohl
Da hat sich doch das letzte Mal der Ruhig Fury! sehr gewundert, dass es, gerichtsmassig sozusagen, ein Recht auf Heimat gar nicht geben soll. Etwas anderes wundert den Ruhig Fury! aber ebenso: Warum sollen wir uns eigentlich gegen die B15 neu-Befürworter verteidigen: Es müsste doch umgekehrt sein!
Ja umgekehrt: Wer was verändern will, der hat die Pflicht zu begründen. Das heißt, er muss einsichtige und beweisbare Gründe anführen. Und solange die Betroffenen sich nicht alle einig sind, dass er eine gute Idee hat, die allen nützt, wird auch nicht verändert.
Das funktioniert so, meint ein gewisser Jürgen Habermas: Im »herrschaftsfreien« Diskurs, der niemanden vom »Markt des Ausgleichs« ausschließt, wird das »Gemeinwohl« für alle Beteiligten einsichtig bestimmt. Ah, ja.
Art.151 Abs.1 der bayerischen Verfassung sagt denn auch: »Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle und der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung aller Volksschichten.«
Der Ruhig Fury hat schon einen großen Kopf zum Denken, aber jetzt ist ihm doch etwas schwindlig: »Markt des Ausgleichs«, »menschenwürdiges Dasein«, »Erhöhung der Lebenshaltung«! Was ist denn das?
Vielleicht hilft ja ein Blick auf die Praxis: Den Abriss der Dörfer des Braunkohle-Tagebau Garzweiler II hat das Bundesverfassungsgericht auch mit dem Gemeinwohl der Energieversorgung begründet.
Und die Autobahn B15 neu? Die Allgemeinheit bedürfe abwechselnd der Entlastung des Stadtverkehrs, der besseren Anbindung umliegender Dörfer, der regionalen Vernetzung, und der strategischen europäischen Transversale für Güterverkehre (die es heute gar nicht gibt).
In beiden Fällen wird auf Grund eines Bedarftrends das überkommene Lösungsmodell alternativlos behauptet.
Braunkohle? Konsens heute: inakzeptabel! Für die Betroffenen, denen die Heimat weggebaggert wurde, kam die Einsicht zu spät.
Stop B15 neu hat nun bei der Europäischen Kommission Beschwerde eingelegt, da die europarechtlich vorgeschriebenen Umweltverträglichkeitsprüfungen nicht oder nur unzureichend berücksichtigt wurden.
Es ist hier eine Doktrin des »autoritären Liberalismus« eingerissen: Infrastrukturen der Daseinsvorsorge werden privatisiert, diese »Märkte« dann staatlicherseits durch Diskursverfahren durchgesetzt und mikroökonomisch, d.h. durch Abgaben, alimentiert. Ruhig Fury! Der plurale »Markt des Ausgleichs« hat eine ganz neue Bedeutung!
Zeit wird’s, dass bei der B15 neu der öffentliche Diskurs auf dem von der Verfassung verlangten Niveau geführt wird: Die »Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins« ist der Kern dieses Diskurses. Auf Spekulation, behaupteter Alternativlosigkeit, mit »Trends«, Drohung und Trickserei aufgebaute Lösungen sind nicht konsensfähig.
Bis zum nächsten Mal
Euer Ruhig Fury!
17. 3. 2017
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