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Kolumne: Gibt es Schönheit jenseits der Windschutzscheibe? Das fragt sich Ruhig Fury!

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Ästhetische Theorie gehört gewöhnlich nicht zur Kernaufgabe des Wirtschaftsausschusses im Bayerischen Landtag? Irrtum! Lest selbst:

 

Der BR zitiert den Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses Erwin Huber: »Auch die, die durch Bayern durchfahren auf der Autobahn, erleben ein schönes Land. Wenn die auf eine Gasse durch Logistikhallen und Gewerbehallen fahren, geht der Blick auf das schöne Bayern verloren. Also wir wollen schon, dass man das schöne Bayern von der Autobahn aus noch sieht und nicht nur Gewerbeflächen.«

 

Das »schöne Bayern erleben« beim Durchfahren auf der Autobahn? Die Autobahn als Kino: Bequemer Sessel, stimmungsvolle Musik, entrückt zieht die heile Welt vorbei! Die Geschwindigkeit des Wagens schenkt uns eine tolle Kamerafahrt! Bis diese unschönen Gewerbegebiete ins Bild rücken. Oder der Stau die Illusion aufhebt.

 

Denn der von Erwin Huber beschworene Blick auf Bayern inszeniert eine Illusion. Aber wir Bayern sind keine Kinofiguren, sondern es gibt uns wirklich! Wir hören den Lärm der Autobahnen Tag und Nacht. Und den Anblick der unschönen, vulgo »hässlichen« Gewerbegebiete müssen wir auch überall ertragen!

 

Weil der Ruhig Fury! für die Klage von Erwin Huber einige Sympathie empfindet, schaut er einmal nach, was denn so über das Verhältnis von »Geschwindigkeit« und »Schönheit« zu lesen ist.
Aha, schon beim Bau der Reichsautobahnen ist der amerikanische »Parkway« Vorbild: Harmonisch in die Landschaft eingebettete Trassen sollten aus der Symbiose von Geschwindigkeit und Natur ein attraktives Erlebnis erzeugen. Das war 30 Jahre nachdem das »Futuristische Manifest« eines Tommaso Marinetti im Jahr 1909 die neue »Schönheit der Geschwindigkeit« dekretiert hatte und das Leben im »Absoluten« den Tod von Raum und Zeit. Heute erleben wir die Praxis zu dieser Theorie.

 

Doch Marinetti hatte auch die Schönheit der Technik und Fabriken dekretiert und die Verachtung des klassischen »Naturschönen«. Tja, einem Friedrich Schiller galt für die »ästhetische Erziehung des Menschen« noch die Anschauung des göttlichen »Naturschönen« als Voraussetzung für aufgeklärtes Erkennen und für Vernunft überhaupt.
Das vergangene Jahrhundert hat diese Ästhetik verwandelt. Denn der vernünftige Mensch überwindet die Natur; er ist eben »absolut«. Indem er sich beschleunigt, hat er das Mittel, die physische Natur zum Verschwinden zu bringen: Verwandelt in ihr eigenes Bild, hat das Naturschöne für den Betrachter nur noch Informationswert. Die Zwecke sind andere. Wie Markus Söder sagt: »Bayern muss nicht nur von oben schön aussehen, sondern auch von unten funktionieren.« (SZ, 12.08.2014)

 

Sehen die Gewerbegebiete doch aus wie der Geist aus dem sie sind: Kalte, für die kostengünstigste Produktion erschaffene Funktionsbauten. Ihr Aussehen informiert ganz offen über ihre ökonomische Natur. Und für den ökonomischen Blick auf Wirtschaftsfaktoren sind Touristik- und Gewerbegebiet austauschbar.

 

Daher hat der Heimatminister Markus Söder auch kein Problem mit der Fahrt durch eine Gasse von Logistik- und Gewerbehallen: Sie inszeniert die moderne Schönheit des künstlichen Paradieses, nicht nur an der B15 neu! Warum nur provozierte dessen Änderung des Landesentwicklungsplans – die Aufhebung des Anbindegebots von Gewerbeflächen an vorhandene Siedlungen – ein Kolloquium zur Ästhetischen Theorie? Ganz einfach. Weil wir den Klagelaut zum Ausklang einer verschwindenden Kultur hören. Der Homo Oeconomicus ist eben im Begriff sie zu kolonialisieren

 

Bis zum nächsten Mal
Euer Ruhig Fury!

10. 8. 2017

 

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